Wir hatten die Gelegenheit, mit Dr. Benjamin Franz und Dr. Michaela Kauer-Franz, den Autoren des Buches „UX Titans“, zu sprechen. Mit ihrem umfassenden Wissen im UX-Design und der Nutzerforschung konzentrieren sie sich darauf, Erlebnisse zu gestalten, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen. In ihrem neuen Buch bringen sie die Perspektiven von 19 international renommierten UX-Persönlichkeiten zusammen, die über Haltung, Wandel und die Zukunft unserer Disziplin diskutieren. Im Interview erzählen uns Benjamin und Michaela, was sie an der UX-Szene begeistert, welche Lehren wir von den „Titans“ ziehen können und für wen ihr Buch letztlich gedacht ist.
Ben: Das Buch ist gedacht für Personen, die tiefer in die Welt der UX eintauchen wollen. Dabei kann es sich um Personen handeln, die sich gerade überlegen, ob das Feld das Richtige für sie ist. Es können aber auch Personen sein, die sich bereits in dem Feld wohlfühlen, aber den Drang haben sich weiterzuentwickeln. Wir sprechen mit unseren UX Titans teilweise spezifische – aber auch teilweise sehr breite Herausforderungen der Branche an. Da ist also für viele was dabei.
Michaela: Ich würde das ergänzen und sagen, was das Buch nicht ist, bzw. für wen es nicht geeignet ist. Das Buch ist keine klassische Methodensammlung oder Methodenbeschreibung. Es sagt nicht: „Gute UX gestaltest du so“, sondern es fasst die Meinungen ausgewiesener Experten in verschiedenen Themenbereichen zusammen und hilft so, eigene Fragestellungen anzugehen. Teilweise regt es zum Hinterfragen der eigenen Vorgehensweise an und teilweise ist es der beruhigende Schulterklopfer, dass es anderen „auch so geht“. Es ist also ein Fachbuch der anderen Art.
Ben: Wir haben uns zu Beginn feste Kriterien gesetzt. Es war uns wichtig, zu definieren, wer denn als „UX Titan“ zählt bzw. zählen könnte. Diese Kriterien sind:
Zusammengefasst sollen diese Regeln Personen einschließen, die mit Ihrer UX Arbeit viele Menschen beeinflussen.
Michaela: Wir haben aber auch schnell gemerkt, dass das ein Thema ist, das viele umtreibt. Wir haben sehr viel positives, aber auch sehr viel negatives Feedback zu der Auswahl der Titans erhalten.
Hier hat man gemerkt, dass es vielen Personen lieber gewesen wäre, wenn wir nur weltweit bekannte Namen wie Jared Spool oder Jakob Nielsen auf der Liste gehabt hätten. Auf der einen Seite, weil das Gefühl besteht, dass man mehr von diesen Personen lernen kann. Auf der anderen Seite aber natürlich auch, weil einige Personen sich auf die Füße getreten fühlen, die nicht auf der Liste stehen.
Mit dem Hass und der Negativität hätten wir nicht gerechnet. Weder gegen uns noch gegen die gewählten Titans. Das UX-Feld ist für gewöhnlich sehr sympathisch und offen! Das geht sogar soweit, dass Titans in Beiträgen angefeindet werden oder Leute nicht das Buch auf Amazon schlecht bewerten, sondern unsere Agentur mit einem Stern bei Google bewerten. Das hat uns schon überrascht. Hier sind also große Emotionen im Spiel.
Für uns ist ein Titan jemand, der viel Erfahrung in einem Bereich des UX hat und einen großen Einfluss direkt oder indirekt auf andere ausübt. Auch ist unsere Liste in keiner Form abschließend und vollständig und darf gerne erweitert werden. Wir haben auf der Webseite zum Buch extra die Möglichkeit eingefügt, andere oder sich selbst als UX Titan vorzuschlagen. Wir würden uns freuen, wenn das genutzt wird und wir das Feld in Zukunft diverser und umfangreicher aufstellen können.
Michaela: Ich nehme am stärksten wahr, dass UX eine deutlich stärkere Vermittlerrolle einnimmt und auch viel mehr Business und Strategie sprechen muss also noch vor 10 Jahren. Früher hat man oft darüber diskutiert, was UX ist. Das ist heute gesetzt. Inzwischen geht es darum zu zeigen, warum in UX investiertes Geld sinnvoll ist und dazu gehören andere Skills.
Ben: Das teile ich. Für mich hat sich am stärksten verändert, dass UX wesentlich verbreiteter und akzeptierter ist als noch vor 10 Jahren. Mittlerweile muss man in den allermeisten Fällen nicht mehr argumentieren, dass UX wichtig ist. Das heißt aber noch lange nicht, dass es überall „riesige“ UX-Budgets gibt. Damit tut sich die UX-Branche weiterhin schwer.
Ben: Mein Lieblingssatz im Buch ist sinngemäß „Als magisches UX Einhorn reite ich über die Produkte, lasse Feenstaub zurück und alles ist schön.“ Das beschreibt aus meiner Sicht sehr schön das Gefühl mit dem viele UXer immer wieder konfrontiert werden. Sagt man in einem Saal voller UXer, dass man das Produkt „am Ende noch schön macht“, dann geht ein Raunen durch die Runde. Es ist ein UX-Branchen-Problem, dass immer wieder angetroffen wird.
Negativ überrascht hat mich dabei, dass das Problem weiterhin so allgegenwärtig ist. Dabei zeigen Studien mittlerweile klar welche Effekte auf das Geschäft Investitionen in UX haben. Allerdings liegt hier auch ein zentrales Thema des Buchs: UXer haben es bisher selten geschafft „Geld“ zu reden – also ihren Aufwand in Relation zum Geldnutzen zu stellen. Hier liefert das Buch erste Ansätze, vor allem in der aktuell verfügbaren Early Buyer Edition, die Bonusmaterial zum Theme Return on Investment liefert.
Michaela: Für mich gab es zwei Dinge: Einmal hat mich total berührt, zu merken, dass viele UXler auch nach so vielen Jahren im Geschäft einfach weiterhin Gutmenschen geblieben sind. Das Ziel von vielen ist die Welt für andere besser zu machen. Das ist wirklich schön zu merken, dass das nicht verloren geht.
Schade fand ich persönlich, dass vor allem aus der Forschung oft das Gefühl entsteht, dass es so viel Wissen gibt, das nicht in der Praxis ankommt. Auch Jahre später. Hier lassen wir viel Potential liegen, auch wenn das wahrscheinlich oft der Fall ist.
Ben: Einen Teil habe ich bereits eben angesprochen – es fehlt manchmal der Fokus, die eigene Leistung auf den schnöden Mammon zu reduzieren. 🙂 Die Welt der UX ist oft sehr idealistisch. Geschäfte sind das aber nicht. Entscheider sprechen oft und vor allem „Geld“. UX sollte das immer öfter auch tun – und damit dann die (oft guten) idealisitscheren Ziele erreichen.
Andersrum bin ich total stolz darauf, dass UX mittlerweile kaum noch wegzudenken ist. Egal ob man über B2C oder B2B Produkte spricht: überall gibt es UX-Abteilungen und UXer, die daran arbeiten, Produkte für Menschen besser zu machen. Das ist mega und darauf kann man als gesamte Community schon sehr stolz sein.
Ben: Ich wurde ja schon mehrfach eingeladen und irgendwie war ich immer im Urlaub. Dabei habe ich gar nicht das Gefühl ständig im Urlaub zu sein… 🙂 Gerne können wir aber noch mal schauen wann die nächste Verantstaltung ist und ob das Thema passt. Ich komme gerne, wenn ich einen wirklichen Mehrwert liefere.
Vielen Dank an Michaela & Ben für das Gespräch, das Herzblut – und ein Buch, das nicht nur UX-Einsteiger:innen, sondern auch Szene-Experten viel zu sagen hat.
Wer neugierig ist, wie Entscheider:innen, Unternehmen und Teams von den Erkenntnissen der UX Titansprofitieren können: Das passende Interview auf dem SKOPOS NOVA Blog findest du hier.